Zuallererst muss ich mich entschuldigen, dass ich nach meiner Ankündigung so lange gebraucht habe für meinen angekündigten Kommentar. Ich wollte nicht so schnell schnell was dahin hudeln und dann rutschte es immer weiter nach hinten, auf der Suche nach einem gemütlichen schwarzen Loch mit Ruhe und Muße zum Kommentieren. Und, kaum drei Woche sind vergangen, bin ich auch schon fertig.

Walled Gardens. Dezentralität(en). Etwa vor drei, vier Jahren hatte ich mein Ur-Erlebnis, was Netzwerke (SN’s) angeht. Vorher habe ich es wohl ähnlich gemacht wie viele Leute. Ein neues SN tritt an, man schaut sich um nach einer Einladung, tritt bei und befreundet sich mit den Leuten, mit denen man auch anderswo befreundet ist. Lange Jahre hat das funkioniert. Seit einiger Zeit funktioniert es nach meinem Eindruck so nicht mehr. Und das hat zumindest zwei Gründe: 1) Die Gemeinde, die sich heute so dagegen wehrt, eine einzige Gemeinde zu sein, war das anfangs zwar schon nicht, aber damals freute man sich über Gleichgesinnte Leute und übersah oft Trennendes. Vielleicht haben die ganz weisen auch einfach das Andere gesehen, sich aber auch über das Gemeinsame gefreut. 2) Das Überlegen, was man ist und wohin man will führten dazu, dass aus einer einzigen Wolke viele kleine Wölkchen geworden sind. Heute hat man sich, wenn ich es überspitze, so sehr auseinanderdividiert, dass man kaum mehr zwei Leute findet, um eine Basiswolke (= mindestens zwei Leute) zu bilden. Bei allen Überlegungen spielt aber bis heute die Sinnhaltigkeit des gerade Inn-Seienden Netzwerkes keine Rolle. Eine Rolle spielt zuallererst die Coolness und dann, ob ich da meine Leute treffe. Viele Leute begreifen noch nicht, dass es Twittern wie 2007 nie mehr geben wird, weil die Leute selbst sich und ihre Einstellung zum Sich-Mitteilen verändert haben. Und die Betreiber der SN’s stehen heute unter einem deutlich höheren Druck, Geld zu verdienen und ihren (monetären) Zielen näher zu kommen. Gedanken zum Thema Privatsphäre beunruhigen Geldgeber eher als dass sie sie beruhigen. Auch die Freunde/Follower selbst entdeckten, dass ihre Freunde/Follower ja nicht nur Freunde/Follower sein können, sondern auch ein Klientel sein könn(t)en. Spätestens wenn dann diejenigen, die ihre Follower/Freunde über die Jahre mehr zu einer Art von geistigem Fuhrpark gemacht haben auf die loslässt, für die Twitter & Co. immer noch ’nur‘ eine Möglichkeit ist, den Kontakt zu Leuten zu halten, die nicht am anderen Ende des gleichen Dorfes wohnen, ist Stunk vorprogrammiert.

Huch, und wieder ist das sinnhaltige Nachdenken über Denzentralität und das Vorhaben, einen Kontrapunkt gegen Facebook & Co. zu setzen, ganz hinten auf der Prioritätenliste. Wenn es nicht sogar vollkommen aus dem Blickfeld geraten ist.

Nun zu dem Schritt, der für uns alle so einfach wäre. Suchen wir uns unsere benutzten Netzwerke eben nicht nach Coolness aus, sondern nach Sinnhaltigkeit. Diese Sinnhaltigkeit schließt wahlweise auch sofort Geschäftemachereien aus oder ein, je nachdem, wie man das haben will. Ein praktische Beispiel? Irgendwann erinnerte ich mich an Diaspora und daran, dass dort alles viel besser sei. Ich loggte mich ein, klickt ein wenig herum und war schon fast überzeugt von der schon seinerzeit geradezu allgmeingültigen Meinung, dass Diaspora wirklich so tot sei, wie viele sagten. Einer oder zwei Leute bestimmten meine Timeline. Ein Klick auf deren Profil brachte die Lösung. Diese zwei Leute hatten einen regen Austausch, mit vielen. Keine Spur von tot. Ich klickte mich in deren Freundeslisten und kannte beinahe keinen einzigen der Leute. Aber, ich stellte fest, dass die über Themen sprachen, die mich auch interessierten. Ich abbonnierte ein paar der Leute und kam in den Stunden und Tagen danach ins Gespräch mit ihnen. Schon nach einer Woche hatte ich eine neue Gemeinde, für bestimmte Themen. Bis heute lebt Diaspora. Nach einigen Monaten besah ich meine Freundesliste. Viele neue Gesichter und ein Teil Karteileichen. Noch am selben Tag bereinigte ich meine Liste. Unter den Leichen waren gefühlte 90 Prozent Leute aus meiner Ur-Community. Diese waren längst weitergezogen und lästern bis heute laut über die Wüste Diaspora. Und oft auch darüber, dass Facebook ja so doof ist. Eine ganze Weile habe ich die gefragt, wieso sie denn noch dort sind, wenn es doch so blöd ist? Da sieht man Achseln-Zucken, ein Gesicht mit dem Ausdruck ‚ertappt‘ und dann geht es weiter.

Und das Ende vom Lied? Eine der Auswirkungen dieses wenig erwachsenen Handelns in Sachen SN’s ist, dass die Anbieter sich keine Mühe machen müssen in Sachen entsprechender ‚richtiger‘ Standards. Jedes zweite SN hat seinen ‚Hausstandard‘. Man kann dann nach Außen hin antreten und sich zu den Guten zählen, aber unter dem Strich bleiben z.B. die Ziele von OpenID etc. auf der Strecke, leider. Der Schlüssel zum Erfolg ist aber der mündige Nutzer. Technik kann Lösungen anbieten und tut dies ja auch schon. Wir müssen immer wieder sagen, dass wir diese Lösungen auch wollen. Sonst entsteht da kein Druck auf die Macher hinter den Webseiten der SN’s.